Lucia habe ich unter dem Blauregen vor der Wengenkirche kennengelernt. Sie war gerade dabei, ihr Handy aus der Tasche zu holen, um die üppigen Blüten zu fotografieren.
Hallo! Wie heißt du? Ich heiße Lucia.
Seit wann bist du in Ulm? Seit 25 Jahren bin ich in Deutschland, ungefähr.
Wo warst du vorher? Ich komme aus Paraguay.
Wieso bist du nach Ulm gekommen? Ich habe einen deutschen Mann in Paraguay kennengelernt. Er hat sich in mich verliebt und ich mich in ihn. Er hat gesagt, ich möchte, dass du zu mir nach Deutschland kommst.
Wow. Und das hast du dann gemacht? Nicht sofort. Wir haben uns in meiner Heimat kennengelernt. Er war mir nicht ganz unbekannt, weil sein Papa mit einer Paraguayerin verheiratet war, die ich kannte. Deshalb habe ich ihm getraut. Aber ich habe ihm gesagt: Gib mir ein bisschen Zeit.
Er ist dann wieder zurück nach Deutschland. In dieser Ziet habe ich in Paraguay bei einer deutschen Zeitung gearbeitet. Ich bin keine Journalistin, ich habe Anzeigen verkauft, zum Beispiel an Hotels, Restaurants etc. Bei dieser Zeitung habe ich eine tolle deutsche Frau kennengelernt, Marion. Sie hat mir geholfen. Sie hat mir die Briefe meines Mannes übersetzt und sie hat meinem Mann Liebesbriefe von mir geschrieben. Eines Tages meinte sie:
„Heute kam eine Nachricht für dich und du musst dir jetzt überlegen, was du für dein Leben möchtest.“
Ein Paraguayer hatte ihr gesagt, dass er mich heiraten möchte. Das wollte ich auf keinen Fall! Nach Deutschland traute ich mich auch nicht. Doch Marion meinte: „Probiere es! Mein Land ist so toll.“ Ich habe gezweifelt. Was sollte ich machen, wenn der Mann sich in Deutschland ganz anders verhält als hier? Wenn er nicht so nett war? Außerdem sprach ich kein Deutsch. Aber Marion sagte: „Mach dir keine Sorgen. Probiere es!“ Also probierte ich es.
Marion schrieb meinem Mann einen Brief. In dieser Zeit gab es noch kein Internet, nur Briefe und Telegramme. Er hat dann ganz viele Papiere geschickt. Viele Formulare! Für die Hochzeit, für die Einreise. Ich war ganz überfordert: Oh nein, was brauche ich alles für Dokumente aus Paraguay! Ich habe gar nicht so viel Geld dafür. Mein Mann sagte, er hilft mir damit. Und Marion meinte: „Probiere es!“
Dann kam plötzlich das Ticket für mich und ich war ganz aufgeregt – denn meine Papiere waren noch nicht fertig! Marion hat mir dann erklärt, dass ich den Abflugtermin selbst festlegen kann. Also habe ich die fehlenden Papiere besorgt. Erst dann habe ich mit meinen Eltern gesprochen. Mein Vater meinte: „Du bist unnormal! Verrückt!“
Meine Familie hatte meinen Mann zwar damals kennengelernt, aber Deutschland war so weit weg! Das hat ihnen Angst gemacht. Ich meinte zu meinem Papa: Lass mich gehen, Papa. Ich liebe ihn und ich bin eine alte Frau. Ich probiere es. Damals war ich 30 Jahre alt.
Zögernd hat meine Familie ihr Einverständnis gegeben. Aber sie waren nicht zufrieden damit.
Und dann bin ich nach Deutschland gekommen. Mein Mann war so süß! Er hat mich mit seiner Familie in Frankfurt am Flughafen abgeholt mit einem großen Blumenstrauß und allem! Wir haben noch 4 Monate auf alle Papiere gewartet, die wir brauchten. Und im Dezember haben wir dann geheiratet. An meinem Geburtstag. So ist meine Geschichte.
Vielen Dank, dass du sie hier erzählt hast. Leider sind wir jetzt geschieden. Er lebt wieder in Paraguay und ich bin hier geblieben. Er hat einen guten Kontakt zu meiner Familie und auch wir verstehen uns gut. Er ist zufrieden dort und ich bin zufrieden hier.
Wie sieht dein Alltag hier in Ulm aus? Eigentlich bin ich Kosmetikerin, aber ich arbeite nicht in meinem Beruf, sondern im Krankenhaus. Ich bin in der Zentrale und helfe bei Vorbereitungen, z. B. desinfizieren. Es macht mir dort viel Spaß und ich lerne viele Menschen und viel Neues kennen.
Ich finde es schade, dass ich schon so alt bin. Ich stelle mir manchmal vor, wie es wäre, wenn ich Medizin studiere und Ärztin werde.
Ich hatte früher überlegt, hier in Deutschland auch als Kosmetikerin zu arbeiten. Aber mein Mann meinte damals: „Nein, das kannst du nicht, das musst du erst wieder lernen.“ Und so ist das hier mein Leben und ich bin zufrieden.
Was gefällt dir in Ulm besonders gut? Ich kenne viele Städte in Deutschland, aber Ulm ist meine Lieblingsstadt. Ich liebe Ulm, weil es hier total ruhig ist, ich habe alles in der Nähe. Und ich bin glücklich hier, denn es ist wirklich schön. Wie heißt das Fest von Ulm im Juli? – Schwörfest, genau. Da bin ich immer dabei!
Alle Leute tanzen auf den Straßen! Ich tanze mit den Leuten und bin sehr glücklich. Das gefällt mir so sehr!
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